Aus einem Newsletter von "Bestattungen und Trauerbegleitung Pütz-Roth":
"wenn Sie gerade um einen lieben Freund oder den Vater, die Mutter trauern, dann verbergen Sie Ihre Tränen nicht. Zeigen Sie Ihren Kollegen und Bekannten, wie es Ihnen geht. Sprechen Sie über Ihren Kummer. Manchmal muss man dem Gegenüber ein Signal senden, damit er sich öffnet. Wir erleben täglich, wie gut es tut, nach einem Verlust Gemeinschaft zu spüren.
Schön wäre, wenn wir den Menschen um uns herum genauso viel Beachtung schenken würden, wie den Toten, die über die Medien Betroffenheit bei uns auslösen.
"4 000 000 000"
Vier Milliarden sind eine gewaltige Zahl. Wir sind uns nicht ganz sicher, wie diese Zahl gemessen wurde, aber selbst, wenn es ein paar Zuschauer weniger wären, die Einschaltquote bei den Trauerfeierlichkeiten für Königin Elisabeth II war gewaltig.
Über die Hälfe der Weltbevölkerung hat scheinbar zugeschaut. Eine solche Quote erreicht, wenn überhaupt, nur ein Endspiel der Fußballweltmeisterschaft. Dass sich so viele Menschen vor dem Fernseher versammeln, um einer Königin die letzte Ehre zu erweisen, freut uns, macht uns aber auch nachdenklich. In unserem Alltag erleben wir leider immer öfter Abschiede, die im kleinen Kreis stattfinden.
Warum tun sich viele Menschen so schwer damit, in ihrem direkten Lebensumfeld, in ihrem Alltag ihre Trauer und Anteilnahme zu zeigen? Nach dem Tod von nahen Angehörigen wird der aufgewühlte Seelenzustand oft verschwiegen.
Auch die Royals sah man die meiste Zeit beherrscht hinter dem Sarg her schreiten oder in der Kirche sitzen. Nur einmal, ganz kurz, weinte King Charles III und es hat gutgetan, ihn so menschlich zu erleben.
Die Rituale bei der Beisetzung der Queen folgten einer langen Tradition. Jeder Handgriff war geplant, jedes Mitglied der Windsor Familie und des Hofstaates hatte beim Leichenzug und während der Trauerfeiern seinen festen Platz. Rituale geben in schweren Momenten den Menschen Sicherheit, das Richtige zu tun und Rituale erzeugen eine feierliche und würdige Stimmung. Leider verzichten viele Menschen heutzutage auf Rituale. Man muss keine Königin gewesen sein, um würdig verabschiedet zu werden.
Da die Queen zu Hause auf Schloss Balmoral gestorben ist, sind wir sicher, dass der engste Familienkreis sich von der Toten verabschiedet hat. Sie wurde zu Hause aufgebahrt. Leider ist auch dieses Ritual mittlerweile fast verschwunden. Die Aufbahrung eines Toten im Sarg ist eine alte Tradition. Trauernden sollte »begreifbar« – nicht nur mental - vermittelt werden, dass im Sarg nur das Vergängliche liegt. Das, was den Verstorbenen Mensch sein ließ, das kann nicht beerdigt werden.
Der Leichnam der Queen wurde in London mit allen Ehren vom Buckingham Palast nach Westminster geleitet. Hinter der Geschützlafette mit dem Sarg gingen King Charles III, seine Geschwister und seine Söhne William und Harry.
Weniger prunkvoll, aber mit genauso großer Anteilnahme wurden früher auch die Normalsterblichen in Trauerzügen durch Dörfer und Städte getragen. Nicht nur Familienangehörige, Freunde und Nachbarn reihten sich ein. Es war Sitte, dass aus jedem Haus und jeder Familie jemand sich dem Trauerzug anschloss. So erreichten auch die bürgerlichen Trauerzüge eine stattliche Länge.
Trauerzüge sind heute nur noch bei gekrönten Häuptern üblich. Ansonsten wurde der Tod aus unserem Stadtbild verdrängt. Die Kirchen würden gerne mehr Aufbahrungen möglich machen und auch der gemeinsame Gang zum Grab, eine Art kleinen Leichenzug, würden Pfarrer und Pastoren gerne als Tradition wiederbeleben. Oft scheitert es daran, dass zu wenig Zeit für den Abschied eingeplant wird, dass der Gang für ältere Menschen als zu beschwerlich empfunden wird.
Eigentlich schade. Hier ist uns ein lebendiges Stück Trauerkultur verloren gegangen. Wenn im alltäglichen Leben der Tod nicht mehr erfahrbar ist, fällt es schwer, mit ihm natürlich umzugehen.
In unserem Bestattungshaus versuchen wir den Menschen Mut zu machen, ihre Trauer auszuhalten, sie zu zeigen. Denn darum geht es. Trauer ist keine Krankheit, die kuriert werden muss.
In den Off-Kommentaren war immer wieder zu hören, die Menschen würden um die Queen trauern. Wir glauben, dass Trauer etwas ist, das man nicht für jemanden empfinden kann, den man nur aus der Ferne kannte. Wir unterscheiden zwischen Trauer und Betroffenheit. Trauer ist etwas Individuelles, was nur der empfinden kann, der den Verlust erlitten hat. Trauer kann man nur allein erleben, weil Trauer aus der gleichen Quelle kommt, die wir sonst Liebe nennen.
Wenn wir betroffen sind, dann können wir diese Betroffenheit, im Gegensatz zur Trauer, teilen. Und das ist auf so wunderbare Weise geschehen. Die Queen hat im Tod so viele Menschen für einen Moment vereint, dass man daraus Hoffnung schöpfen konnte, dass uns Menschen doch mehr vereint als uns trennt.
Vielleicht sollten mehr Beerdigungen im Fernsehen übertragen werden. Es muss ja nicht immer gleich die halbe Welt zuschauen."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen