Aus einem offenen Brief eines bundesweit bekannten Bestatters:
"heute wird der deutsche Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl zu Grabe getragen.
Die Bestatter Hanna und David Roth möchten sich nicht an der Diskussion
beteiligen, ob ein Staatsakt in Berlin vor dem Brandenburger Tor angemessener
gewesen wäre. Wichtiger als Kritik zu üben, erscheint ihnen, deutlich zu
benennen, was von den Trauernden in den letzten Tagen alles richtig gemacht
wurde.
Die Entscheidung den Leichnam zu Hause in Oggersheim aufzubahren und so
Freunden und Angehörigen die Chance zu einem persönlichen, unbeobachteten
Abschied zu geben, war richtig. Wobei es im Ermessen der Witwe Maike
Richter-Kohl lag, zu entscheiden, wen sie zu ihrem verstorbenen Ehemann an den
Sarg lassen wollte und wen nicht.
Der tote Helmut Kohl wurde nicht nach 36 Stunden an einen für Verstorbene
vorgesehenen Ort gebracht, wie es der Gesetzgeber vorschreibt. Diesen
willkürlichen Zeitdruck zu ignorieren, empfehlen die Roths allen Trauernden zur
Nachahmung.
Die Trauerfeierlichkeiten werden mehrere Stunden dauern und reduzieren sich
nicht auf einen 35 Minutenslot in einer öffentlichen Trauerhalle. Es werden
Freunde und ehemalige Weggefährten den Toten in Ansprachen würdigen. Menschen,
die den Toten persönlich gekannt haben, sind besser als der beste Trauerredner
und beinahe jeder andere Ort ist besser als eine kalte, lieblose
Trauerhalle.
Nehmen Sie sich die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie der Abschied von
einem verstorbenen Menschen, den sie geliebt haben, aussehen soll. Dazu wollen
Hanna und David Roth in unserem heutigen Denkanstoß ermutigen.
Denkanstoß 27 - Helmut Kohl
Der Abschied vom Staatsmann Helmut Kohl wird am Samstag an zwei Orten
zelebriert. Es wird einen europäischen Staatsakt im Europaparlament in Straßburg
geben und eine Trauerfeier im Dom zu Speyer. Beide Gedenkfeiern werden in den
Medien übertragen. Millionen Menschen werden so an den Kanzler der Einheit noch
einmal erinnert. Sein Tod macht betroffen und es gibt viele Menschen, die um ihn
trauern.
Wenn eine Person der Zeitgeschichte stirbt, ist Trauer etwas Öffentliches. So
war es bei Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt und so wird es bei
Helmut Kohl sein. Der Verstorbene wird für kurze Zeit noch einmal sichtbar. Die
Gefühle der Familie und Freunde lassen uns als Zaungäste mitempfinden,
vielleicht sogar mitleiden.
Trauer zeigen und nicht verstecken
Wir würden uns wünschen, dass mehr Menschen den Mut haben, ihre Trauer
öffentlich zu zeigen und von den Normen, die sich im Bestattungswesen etabliert
haben, abzuweichen. Warum nicht die Trauergäste an einen Ort einladen, der dem
Verstorbenen wichtig war? Das kann ein Museum sein, ein Sportlerheim, eine Firma
oder das eigene Heim. Den Leichnam von Helmut Kohl in seinem Privathaus in
Oggersheim aufzubahren, war eine gute Entscheidung.
Der beste Platz um zu trauern, ist die vertraute Umgebung des eigenen Hauses
oder der eigenen Wohnung. Leider wissen viele Trauernde nicht, dass es möglich
ist, den Toten zuhause zu behalten und leider wird das von den meisten
Bestattern auch nicht empfohlen. Wir raten dazu und machen es für die
Angehörigen möglich.
Aufbahrung zuhause ist kein Privileg
Ob man ihn mochte oder nicht, Helmut Kohl war unübersehbar da. Er genoss
großes Ansehen und Sympathie und er wurde verachtet, geschmäht und von nicht
wenigen sogar gehasst. Jeder wird sich auf seine Weise an ihn erinnern. Egal wie
man zu Helmut Kohl stand, sein Tod führt uns vor Augen, dass ein Abschnitt
unseres Lebens - für viele die Kinder und Jugendjahre - Geschichte ist.
Der Tod des Kanzlers a.D. weckt Erinnerungen
Was bleibt sind die Erinnerungen. Natürlich zunächst an die Weltereignisse:
Mauerfall, Wiedervereinigung und Einführung des Euros. Diese historischen
Ereignisse sind verknüpft mit unseren persönlichen Erinnerungen. Jeder kann sich
daran erinnern, wo er war, als er vom Mauerfall erfahren hat und an das mulmige
Gefühl, das neue Geld in Händen zu halten.
Trauer braucht Gemeinschaft
Trauer heißt sich erinnern, am besten in Gemeinschaft mit Menschen, die man
liebt und die Halt geben können. Und auch das zeigt uns der Tod von Helmut Kohl.
Nicht immer gelingt es in der Trauer zusammenzufinden. Manche Wunden sind so
tief, dass es viel Zeit braucht und manchmal ist eine Versöhnung auch nicht
möglich.
Wir möchten auf diesem Wege allen Menschen, die um Helmut Kohl trauern,
unsere Anteilnahme ausdrücken und wünschen seiner Witwe, seinen Söhnen und
Enkelkindern, dass in Zukunft vielleicht doch eine Versöhnung und ein
gemeinsames Gedenken möglich ist."
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